Campus-Netze sind in Deutschland zur Zeit der vielversprechendste Ansatz, wenn es um den industriellen Einsatz von 5G-Funktechnik geht.
Denn erstmals erlaubt die Bundesnetzagentur auch Unternehmen außerhalb der Telekommunikationsbranche, Funkfrequenzen zu buchen. Doch welche Konzepte für den Aufbau eines Campus-Netzes gibt es?
Campus-Netze sind exklusive verfügbare Mobilfunknetze, etwa für ein Firmengelände mit Fabrikhalle, Werksgelände und Bürogebäude. Damit bietet sich für Produzenten die Möglichkeit ein eigenes, auf ihre individuellen Belange und Anforderungen zugeschnittenes Netz aufzubauen und gleichzeitig von Mobilfunkanbietern ganz oder zumindest teilweise unabhängig zu werden. Zudem lassen sich so derzeitige und künftige Anforderungen aus dem Umfeld von Industrie 4.0, wie etwa fahrerlose Transportsysteme, flexible und umkehrbare Produktionsabläufe oder Ähnliches erfüllen.
Warum ein eigenes Netz?
Ein wesentlicher Aspekt, der für den Aufbau einer Campus-Struktur spricht, ist die Unabhängigkeit. Auf dem eigenen Werksgelände ergibt sich eine hohe Planungsfreiheit, etwa was den Aufbau eventuell notwendiger Antennen angeht oder die Gestaltung des Core-Netzes. Bei diesem Kernnetz handelt es sich meistens um die Soft- und Hardware, die das Netz steuert und überwacht. Dies umfasst unter anderem die Zuweisung von Bandbreiten an ausgewiesene Nutzer mittels SIM-Karten. Der konkrete Netzausbau der Mobilfunkbetreiber erfolgt hingegen zunächst nach deren eigenen Anforderungen und Bedürfnissen. Das kann gerade für große Industrieanlagen, die nicht in Ballungsräumen liegen, problematisch in der flächendeckenden Versorgung werden. Beim eigenen Campus-Netzwerk lässt sich im Gegensatz dazu Bandbreite dorthin bringen, wo sie auch gebraucht wird. Ein weiterer Vorteil liegt im flexiblen Anschluss von IoT-Geräten und Anlagen. Müssen Prozesse oder Abläufe geändert werden, lässt sich innerhalb des eigenen Campus-Netzwerks flexibel mit dem Auf- oder Umbau von Antennen und anderen Netzkomponenten reagieren.
Einfacher Remote-Zugriff
Schnellerer und vor allem sicherer Zugriff vom Werksgelände oder auch im Fernzugriff aus dem Home-Office wird darüber hinaus immer wichtiger. Und auch hier können 5G-Campus-Netze gegenüber anderen Lösungen in Sachen Sicherheit und Schutz vor Hackerangriffen von außen punkten. Die Unabhängigkeit von den Telekommunikationsprovidern sorgt zusätzlich für einen flexibleren Ausbau, hohe Verfügbarkeit und auch für eine gewisse Kostenunabhängigkeit. Bei größeren Industriegeländen oder Werksanlagen ist ebenfalls zu überlegen, ob sich mehrere Produktionsbetriebe für den Erwerb von Lizenzen und den Aufbau eines Campus-Netzes zusammenschließen. So lassen sich Kosten und Aufgaben auf mehrere Schultern verteilen oder gar ganz neue Anwendungen gemeinsam entwickeln.
Mögliche Varianten
Aktuell bieten sich für Unternehmen verschiedene Alternativen zum Aufbau eines eigenen Campus-Netzes an, wovon drei Szenarien besonders praxistauglich sind. Die erste Variante umfasst den Kauf einer entsprechenden Frequenz. Diese ist bereits für wenige tausend Euro zu erwerben und der Erwerb kann sich im Vergleich zu anderen Infrastruktur-Konzepten mit MobilfunkKomponenten durchaus amortisieren. Antennen und Rechenzentren können dann direkt auf dem Werksgelände installiert werden. So kann das CampusNetz seine ganze Leistungsfähigkeit mit hohen Übertragungsraten und niedrigen Latenzzeiten ausspielen. Denn diese hängen maßgeblich von den Distanzen zwischen den Servern in den Rechenzentren und den Antennen ab. Will ein Unternehmen diese Vorteile nicht verlieren, sollte ein Rechenzentrum maximal 20 bis 30 Kilometer von der Antenne entfernt liegen. Fabrikgelände befinden sich allerdings häufig etwas abseits von Ballungsräumen und so sind große Entfernungen zwischen Industrieareal und Rechenzentrum des Providers schnell erreicht. Ein weiterer Pluspunkt dieser Lösung ist die vollständige Kontrolle, die das Unternehmen über das Netzwerk erhält. Dies erfordert allerdings auch einen entsprechenden Knowhow-Aufbau bei den Mitarbeitern.
Ein Netz im Netz
Die zweite Variante schafft ebenfalls eine große Unabhängigkeit vom Telekommunikationsanbieter, verspricht damit hohe Sicherheit bei gleichzeitig immer noch hoher Flexibilität und Eigenständigkeit bei Planung oder auch nötigen Umplanungen. Hierbei nutzen die Industrieunternehmen ein virtuelles privates Netzwerk (VPN), das auf der Basis der bestehenden Infrastruktur eines Telekommunikationsanbieters beruht. Um die Anforderungen des Produktionsunternehmens abzudecken, stellt der Netzbetreiber hierzu einen (logisch) abgetrennten Bereich des 5G-Netzes mit entsprechenden Ressourcen zur Verfügung.
5G-Netz ‘as a Service’
Bei der dritten Variante setzen Unternehmen ganz auf das Angebot eines Mobilfunknetzbetreibers zum Aufbau des Campus-Netzes. Dieses wird dann physisch weitgehend getrennt laufen, ist aber in die Managementprozesse und Infrastruktur des jeweiligen Netzbetreibers integriert. Dies bedeutet auch eine hohe Abhängigkeit vom Telekommunikationsunternehmen. Eventuelle Änderungen im Campus-Netz zu einem späteren Zeitpunkt, weil sich beispielsweise Produktionslinien oder Gebäudestrukturen verändern, werden komplizierter in der Umsetzung. Es hat dafür jedoch den Vorteil, dass das Knowhow für den Aufbau und Betrieb des Campus-Netzes nicht von dem Unternehmen selbst aufgebaut werden muss. Alle drei Optionen beinhalten Chancen und Risiken. Letztlich sind strategische, organisatorische und finanzielle Gesichtspunkte entscheidend für die Auswahl. Was für welche Firma die richtige Variante ist, sollte individuell ermittelt und analysiert werden.
Japaner arbeiten an 6G
Ein Blick nach Japan zeigt, dass das Land grundsätzlich früher mit der 5G-Planung und -Umsetzung als Deutschland gestartet hat. Heute richten japanische Entwickler ihren Blick schon auf 2030, entwickeln bereits an 6G und entwerfen Einsatzszenarien für die Zukunft.